In Zusammenarbeit mit Alice Willison
Das Uhthoff-Phänomen ist eine vorübergehende (d. h. weniger als 24 Stunden andauernde) Verschlechterung der neurologischen Funktion bei Patienten mit Multipler Sklerose (MS), die auf eine erhöhte Körperkerntemperatur zurückzuführen ist. Als Auslöser werden u. a. die Menstruation, Sport, Fieber, Sonnenbaden, eine heiße Dusche oder Sauna, psychischer Stress, eine warme Mahlzeit sowie das Rauchen von Zigaretten genannt – all dies verursacht eine erhöhte Körperkerntemperatur.
Bei 60-80 % der MS-Patienten trifft das Uhthoff-Phänomen bei Hitzeeinwirkung auf (1). Obwohl die genaue Ursache nicht bekannt ist, wird häufig angenommen, dass es sich um eine temperaturabhängige Leitungsblockade von teilweise demyelinisierten Axonen in entzündlichen MS Plaques handelt (1). Ein Temperaturanstieg von nur 0,5 °C bei MS-Patienten kann die spannungsgesteuerten Natriumkanäle in demyelinisierten Axonen schließen, was die Depolarisierung des Aktionspotenzials beeinträchtigt und eine zuverlässige Übertragung durch die Nerven verhindert (2). Dies kann zu einer verzögerten oder vollständigen Leitungsblockade des Nervs führen. Die auf das Uhthoff-Phänomen zurückzuführenden Symptome sollten weniger als 24 Stunden andauern und verschwinden in der Regel wenige Minuten bis eine Stunde nach Beseitigung des Hitzestressors oder durch aktive Kühlung. Einfache Strategien wie eine kalte Dusche, eine Kühlweste, Eisbeutel und kalte Getränke können dabei ausprobiert werden, um Symptome vorzubeugen oder zu lindern.
Die Patienten sollten darüber beraten werden, dass heißes Baden zu einer Verringerung der Kraft der Muskulatur führen kann, was im Extremfall eine Gefahr darstellt. Auch bei Saunagängen ist Vorsicht geboten. Natürlich ist es auch wichtig, einen MS-Schub durch geeignete klinische Untersuchungen auszuschließen.
Referenzen:
1. Panginikkod S, Rayi A, Rocha Cabrero F, Rukmangadachar LA. Uhthoff Phenomenon. 2022 May 15. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2022 Jan–. PMID: 29261916.
2. Giuliodori MJ, DiCarlo SE. Myelinated vs. unmyelinated nerve conduction: a novel way of understanding the mechanisms. Adv Physiol Educ. 2004 Dec;28(1-4):80-1.
3. Berdjis H, Schnaudigel OE. Uhthoff’s phenomenon in the low-frequency flash-evoked cortical potential. Dev Ophthalmol. 1984;9:188-94.
4. Frohman TC, Davis SL, Beh S, Greenberg BM, Remington G, Frohman EM. Uhthoff’s phenomena in MS–clinical features and pathophysiology. Nat Rev Neurol. 2013 Sep;9(9):535-40.