Kommentar zur AAN-Session C93
Die Session war in 2 Parts aufgeteilt. Im Gegensatz zur AD/PD Konferenz (März 2021) wurden auf dem AAN 2021 keine neuen Daten zu Aducanumab präsentiert.
Part 1 (Speaker: Melissa Yu): Vorstellung der Aducanumab Daten
Das Problem der bisher zugelassenen symptomatischen Antidementiva ist, dass diese keine krankheitsmodifizierende Therapie darstellen. Damit ist in den letzten Jahren die Rolle von Amyloid gemäß der Amyloid-Kaskaden-Hypothese in den Fokus der Forschung gerückt. Im Rahmen der Alzheimerdemenz kommt es zur Ausbildung von pathologischen löslichen und unlöslichen Oligomeren, welche eine Kaskade initiieren, an deren Ende es zum Absterben von Neuronen kommt. Der monoklonale Antikörper Aducanumab reduziert oligomere Amyloid-beta Spezies.
Innerhalb der Session wurde eine Übersicht zu den klinischen Studien von Aducanumab in Patienten im Stadium eines MCI (Mild Cognitive Impairment) oder einer milden Alzheimerdemenz gegeben. Die Phase 1b Studie PRIME zeigte eine zeit- und dosisabhängige Reduktion von Amyloid-beta im Amyloid-PET. Die beiden Phase 3 Studien EMERGE & ENGAGE untersuchten den Einfluss von Aducanumab auf die Kognition, gemessen am CDR-SB (Primärer Endpunkt) sowie weiterer sekundärer Endpunkte (MMSE, ADAS-Cog13 & ADCS-ADL-MCI). Beide Studien waren identisch konzipierte, dauerten 18-Monate, und erfolgten double-blind und Placebo-kontrolliert. Dabei gelang es in der EMERGE-Studie einen signifikanten Unterschied zu Placebo in allen Endpunkten zu zeigen.
In den Phase 3 Studien traten ARIA (Amyloid Related Imaging Abnormalities) als Nebenwirkung auf. Dies war zu erwarten, da ARIA eine bekannte Nebenwirkung von Anti- Amyloid-Antikörpern darstellt. Hierbei unterscheidet man zwischen ARIA-E (vasogenic edema or sulcal effusion) und ARIA-H (microhemorrhage or localized superficial siderosis). Die Beurteilung erfolgte anhand der MRT-Aufnahme sowie der klinischen/symptomatischen Präsentation. Im Hochdosisarm (10 mg/kg) wurden überwiegend ARIA-E mit einer milden bis moderaten Ausprägung im MRT und einem asymptomatischen Verlauf beobachtet. ARIA-E war in 98% der betroffenen Patienten nach 12-16 Wochen zurückgebildet.
Part 2 (Speaker: Katie Coerver): Spekulation zum möglichen Label bei einer Zulassung und den Herausforderungen in der Praxis/ Klinik
Welche Ableitungen kann man aus den Aducanumab Studien und dem Studienprotokoll der Phase 3 Studien zum jetzigen Zeitpunkt schon in Hinblick auf ein mögliches Label und die Herausforderungen im klinischen Alltag treffen? Es wird nun wichtig sein relevante offene Fragen zu klären. Wer ist ein Kandidat für Aducanumab? Einschluss- und Ausschlusskriterien? Notwendigkeit des MRT-Monitorings? Auswahl und Frequenz der Kognitionstests?
Alle diese Fragen sollten zu klären sein, um dieses neue Therapiekonzept den geeigneten Patienten zukommen lassen zu können. Von Anfang an wird es aber auch wichtig sein, ein vernünftiges Erwartungsmanagement bei Patienten und Angehörigen zu erreichen. Diese Therapieerweiterung wird relevante Auswirkungen auf die Struktur von Praxen und Kliniken haben.