– Die Nase als Tor für neue MS Therapie
In Zusammenarbeit mit Frau Liesa Regner-Nelke
Die Multiple Sklerose ist eine der häufigsten, entzündlichen ZNS Erkrankungen und führt bei dem meist jungen Patientenkollektiv oft zu Behinderungen und damit einhergehend zu einer starken Einschränkung der Lebensqualität. Wissenschaftliche Fortschritte der letzten Jahre führten zu einer Verbesserung der Therapie der MS. Dennoch sind die Behandlungen weiterhin mit häufigen oder auch invasiven Anwendungen verbunden, sodass die Frage nach neuen Wirkstoffen und Verabreichungsformen bleibt.
Bei der Entwicklung neuer Therapien für Erkrankungen des ZNS ist stets ein Hindernis zu bedenken: die Blut-Hirn-Schranke. Diese schützt das Hirngewebe nicht nur vor Erregern oder toxischen Stoffen, sondern verwehrt auch therapeutischen Substanzen den Zugang. Intrathekale sowie intraparenchymale Applikationen wiederum stellen invasive Methoden dar, die mit einem hohen Risiko für Infektionen verbunden sind. Um dieses Problem zu umgehen, wurde das EU-geförderte Projekt N2B-Patch (Nose-to-Brain-Patch) ins Leben gerufen. Im Rahmen dessen soll eine MS-Therapie entwickelt werden, welche über die Nase appliziert wird, um so die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Die Nasenhöhle, insbesondere die Schädelbasis am Dach der Nasenhöhle befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Gehirn und ist nur von der Riechschleimhaut bedeckt. Aufgrund der Lokalisation, aber auch der guten Permeabilität der Nasenschleimhaut, ist dieser Bereich besonders für die Applikation von ZNS-wirksamen Stoffen geeignet. Einen Nachteil bilden jedoch erschwerte Dosierbarkeit der Medikation, sowie die schnelle Elemination durch die mukoziliäre Clearance und Drainage in den unteren Pharynx. Zudem erschweren die Unterschiede der individuellen Anatomie der Nasenhöhle die Verabreichung von Substanzen.
Die drei Hauptbestandteile des N2B-Patch Projekts bilden: der eigentliche Wirkstoff zur Therapie der MS, ein Trägerstoff bestehend aus einem Hydrogel, sowie einen Applikator welcher den Gel-Patch an der Regio olfactoria anbringt. Im Rahmen der bisherigen Ergebnisse konnte ein Patch entwickelt werden, der als eine Art Depot den enthaltenen Wirkstoff über bis zu zwei Wochen frei gibt. Durch die biologische Abbaubarkeit des Patches ist eine Entfernung nicht notwendig und es kann nach gegebener Zeit ein neuer Patch eingesetzt werden. Die Applikation erfolgt durch eine Ärztin/einen Arzt mittels eines Endoskops, welches mit einem Mischsystem verbunden ist, damit die flüssigen Komponenten separat zur Regio olfactoria gelangen um sich dort bei Kontakt zu verfestigen. Im Rahmen von in-vivo-Modellen konnte gezeigt werden, dass der Patch keinen Einfluss auf Geschmack und Geruch hat. Des Weiteren konnte keine Veränderung des natürlichen Microbioms der Nasenschleimhaut festgestellt werden.
Nach 4,5 Jahren Laufzeigt endet das Projekt, an welchem Universitäten, wissenschaftliche und wirtschaftliche Institute, aus sieben Ländern beteiligt waren. Eine Patentanmeldung des Verabreichungssystems ist geplant. Die Entwickler sehen zudem eine Zukunft der Technik in unterschiedlichen ZNS-Erkrankungen wie Schlaganfällen, Alzheimer oder Krebserkrankungen.
Quellen:
Nose2Brain – Wirkstoffe ohne Umleitung durch die Nase ins Gehirn. Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB https://www.igb.fraunhofer.de/de/presse-medien/presseinformationen/2021/nose2brain—wirkstoffe-ohne-umleitung-durch-die-nase-ins-gehirn.html.
Gruber-Traub, Carmen & Ullrich, Jenny. (2018). »N2B-Patch« – Nose-To-Brain Delivery of an Active Pharmaceutical Ingredient via the Olfactory Region. 10.32474/DDIPIJ.2018.01.000116.
Gänger S, Schindowski K. Tailoring Formulations for Intranasal Nose-to-Brain Delivery: A Review on Architecture, Physico-Chemical Characteristics and Mucociliary Clearance of the Nasal Olfactory Mucosa. Pharmaceutics. 2018 Aug 3;10(3):116. doi: 10.3390/pharmaceutics10030116. PMID: 30081536; PMCID: PMC6161189.